Das Rheingold
Das RHEINGOLD
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DAS RHEINGOLD mit österreichischer Beteiligung
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Prachtvoll der Wotan von Frank Dolphin Wong. Er beglaubigte den herrischen Gott mit aller arroganten Selbstherrlichkeit des Auftretens, der situationsbezogenen darstellerischen und sprachlichen Aktion. Schon lange habe ich keinen stimmlich so ebenmäßigen, elegant geführten, noblen, in den Steigerungen markanten und zugleich mühelos gestaltenden Bassbariton als Jung-Wotan gehört. Bielefeld macht‘s möglich!
Interpretation frei von Bombast
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Es gibt im Wesentlichen drei Gründe, die einen Besuch der »Rheingold«-Inszenierung des Bielefelder Theaters dringend empfehlen. Da sind zunächst die gewohnt hervorragenden Leistungen von Orchester und Sängern, da ist ferner eine ungewohnt klare Kongruenz zwischen musikalischer Aussage und Bühnengeschehen und letztlich ein Konzept, das die von Wagner ins Mythologische übertragene Problematik des Machtmissbrauchs aufgreift und in ihren zeitgenössischen Dimensionen aufzeigt. Große Besetzungliste
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Dass ein Haus wie das Theater Bielefeld die Riesenbesetzungen im Orchester und im Gesangsensemble fast ausschließlich mit eigenen Kräften leisten kann, ist allein schon respektabel, wird aber dadurch zum Genuss, wie die Akteure ihren Aufgaben gerecht werden: Nienke Otten, Hasti Molavian und Nohad Becker trieben als Rheintöchter stimmlich und schauspielerisch brillant ihr Spiel mit Alberich, den Yoshiaki Kimura verkörperte. Für den war das eher die Vorbereitung zu den großen Auseinandersetzungen, die er mit Frank Dolphin Wong in Gestalt des Wotan, Lorin Wey als Mime und Alexander Kaimbacher als Loge zu bestehen hatte.
Beeindruckten schon Frank Wong und Lorin Wey mit ihren ausdrucksstarken Interpretationen, zog Alexander Kaimbacher mit vorzüglicher Aussprache, klarer und leuchtender Stimme und faszinierender Darstellung das Publikum in seinen Bann. Er war der »Primus inter Pares«. Sarah Kuffner (Fricka), Melanie Kreuter (Freya) und Katja Starke (Erda) repräsentierten glänzend die Mitstreiterinnen. Ebenso überzeugend reihten sich Olaf Haye (Donner), Lianghua Gong (Froh), Moon Soo Park (Fasolt) und Sebastian Pilgrim (Fafner) ins Ensemble ein. Begeistertes Publikum.
Die Grundlage für ihre Leistungen legte das Orchester, das die angesichts der Raumenge unmögliche Masse durch eine Klasse ersetzte, die das Problem völlig ausglich und der Aufführung durch eine große Klangpalette sogar noch besonderen Reiz verlieh. Den musikalischen Hochgenuss verdankte das Publikum dem GMD Alexander Kalajdzic, dessen von allem Bombast freie Wagner-Interpretation wohl auch den letzten Wagner-Skeptiker zum Enthusiasten werden lässt.
Kalajdzics Geschick der Orchesterführung war auch in Hinblick auf die Verbindung von Musik und Bühnengeschehen gefordert, auf die die Regie besonderen Wert legte. Hier kam es nämlich auf feinste Nuancen an, wenn zum Beispiel Beleuchtungseffekte mit instrumentalen Klangfarben korrespondieren mussten. Bei mehr als zweieinhalb Stunden Aufführung ohne eine Pause darf nicht der kleinste Fehler passieren. Das Publikum wusste diese Leistung zu schätzen, wie die spontane Beifallssteigerung zum Schluss zeigte. Dystopie trifft auf Gegenwart
Wie dankbar war der Zuschauer für eine Inszenierung, die vom Respekt vor der Komposition geprägt war und trotzdem eindeutig die Handschrift einer Regisseurin des 21. Jahrhunderts trug! Ohne die sattsam bekannte »Entmythologisierung« geht es nie, denn auf der Bühne stehen eben Menschen unserer Zeit, nicht Götter. Und wenn der Stoff heute noch eine Bedeutung hat, findet immer eine Aktualisierung statt, wenn nicht durch die Regie, dann durch den Zuschauer, der auch manchmal selbstständig etwas versteht.
Mit ihrer spannenden Regie, ihrem monumentalen Bühnenbild, ihren kreischenden Kostümen, der kontrastierenden Video-Installation und den Lichteffekten zeigten Mizgin Bilmen, Kleo Niemeyer, Alexander Djurkov Hotter, Malte Jehmlich und Johann Kaiser eindringlich und zum Teil drastisch, welche Formen Habgier, Luxus und Machtmissbrauch von Wagners Zeiten bis heute angenommen haben.
Ein sehr gelungener Regieeinfall war der Einsatz der Statisterie, mit deren Hilfe sowohl die Verkörperung des geraubten Rheingoldes als auch der ausgebeuteten Menschen sinnfällig wurde. In ähnlicher Funktion wie der Chor der griechischen Tragödie fügte er pantomimisch als »retardierendes Moment« Möglichkeiten der Besinnung ein. Einstimmig brausender Beifall!
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